Über "Auf der Suche nach dem Gedächtnis"

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Eine kleine Vorgeschichte

Zur Entstehung des Films

"AUF DER SUCHE NACH DEM GEDÄCHTNIS"
DER HIRNFORSCHER ERIC KANDEL

von Petra Seeger

Als ich vor zwei Jahren nachts mit meinem äußerst belesenen "Wissenschafts-Bekannten " telefonierte, der viel über Wissenschaft schreibt und publiziert, sprachen wir über die Psychoanalyse. Er sagte, zurzeit könneEric Kandel man alle auf diesem Gebiet vergessen, der einzige, der im Moment interessant ist, sei Eric Kandel. Ich hatte von ihm gehört, wusste aber nicht viel über seine Arbeit. Auf meine Nachfrage, wurde er für einen Moment recht heftig: "Lest ihr denn gar nichts! ( "ihr" will heißen: wir, all seine ungebildeten Freunde). Ihr wisst wirklich gar nichts! "

Diesem Bekannten verzeihe ich solche Ausfälle, da er sehr klug ist und es sich bei ihm, statt emotional zu werden, eher lohnt, die eine oder andere Notiz zu machen wenn wir telefonieren...

Google gab auf die Schnelle nicht soviel her, klar wurde nur, Kandel versucht die Psychoanalyse auf naturwissenschaftliche, biologische Füße zu stellen.
An meine Küchentafel schrieb ich zur Erinnerung für weitere Recherchen: " Eric Kandel " und fuhr nach Berlin zu einer Einladung des "Orden pour le Mérite".

Ich war dabei, wie Regisseur Wim Wenders feierlich in den Orden, dem nur 80 Menschen angehören, aufgenommen wurde und zu getragener Bläsermusik, im Zeitlupen-Gänsemarsch zusammen mit den befrackten Ordensmitgliedern in den klassizistischen Saal schritt.

Ich hörte einen, wie ich hinterher erfuhr, brillanten Vortrag zum europäischen Verfassungsrecht bei dem ich einschlief. Anschließend gab es einen Stehempfang mit dem Bundespräsidenten. Ein Saal voller Nobelpreisträger und Genies. Die geistige Dichte im Raum wog schwer.

Ich sprach mit Imre Kertez, der wissen wollte was Wenders denn für Filme mache, als ich plötzlich eine Dame sah, die statt einem Sektglas ein dickes Buch durch den Raum trug. Auf dem Titel las ich: Eric Kandel.

Noch bevor ich elegant zu ihr gelangen konnte, blieb sie bei einem Mann stehen, der aussah wie der auf dem Buchcover. Ich überließ die Beantwortung der Wendersfrage jemand anderem und ging zu Kandel: "Ich habe Sie heute Nacht im Internet gesucht! " "Wieso im Internet ? Ich war doch hier! ". "Ein Bekannter von mir sagt, Sie seien der bedeutendste Wissenschaftler, was die Weiterentwicklung der Psychoanalyse angeht."

AplysiaEr strahlte, seine Augen blitzten und er erzählte von veränderten Genen, von Neuronen, von Proteinen, und von der Meeresschnecke Aplysia die 30 cm groß wird und seit über 40 Jahren in seinem Labor lebt und in deren Nervenzellen er mal Neuronen injiziert, mal schaut was in ihrem Hippocampus los ist, mal deren Kiemenrückzugsreflex untersucht und mal nachschaut ob sie neue Synapsen bildet. Einfach so. Nur um zu beweisen, dass Freud Recht hatte. Kandel sprach begeistert und mit Leichtigkeit und im festen Vertrauen darauf, dass ich all das verstehe und es in meinen Neuronen wie er es nennen würde, "feuert". Irgendwann sagte ich fasziniert vor mich hin:" Darüber sollte man einen Film machen," und er rief seine Frau herbei: "Denise, this is Petra, a german filmaker. We are going to make a film together! "Denise und Eric Kandel

Stunden später rief er an und hatte ein Exemplar seiner Autobiografie besorgt. Danach haben wir uns in Berlin, in Köln und in Paris bei 37° schwüler Hitze getroffen, meistens gut gesessen und darüber gesprochen wie so ein Film aussehen könnte. Manchmal hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich dachte, in der Zeit, in der wir sprechen, könnte Kandel, wenn er stattdessen etwas mit seiner Schnecke Aplysia unternimmt, vielleicht Dinge herausfinden die die Welt verändern.

Ich habe mich durch seine spannende Autobiografie gearbeitet und versteh jetzt was von Postneuronen, von Glutamat und Neurotransmittern und habe gelernt, dass lernen sich lohnt weil sich – wie Kandel bewiesen hat – mein Gehirn und sogar meine Gene durch eine Erfahrung verändern.

Ich habe auch gelernt, dass Kandel getrieben durch seine elementare Neugier und Enthusiasmus, "spielend" arbeitet. Dass die wissenschaftliche Arbeit der künstlerischen gleicht, es gibt keinen vorgeschrieben Weg. Was gilt, ist die eigene Intuition, der Spaß an der Entdeckung, und die Kraft das gegen alle Widrigkeiten zu verteidigen.

Bildung von SynapsenKeiner hat Kandel je gesagt, er solle ins Labor gehen und versuchen die Geräusche der neuronalen Signalübertragung im Hirn einer Meeresschnecke hörbar machen. Viele Jahre hat er daran gearbeitet, bis er eines Tages, als sein Mitarbeiter gerade zum Mittagessen war, im Labor alleine, das: Tack! Tack! Tack! – das Sprechen einer Nervenzelle - hörte.
Und als der junge Kandel bei der Einladung im Hause einer Wissenschafts-Koryphäe vor 50 Jahren freiweg sein Ziel formulierte, er wolle sich daran machen Freuds Theorie zu beweisen und das Ich das Es und das Über-Ich im Gehirn dingfest zu machen, kommentierte dieser nur abfällig, er habe den Eindruck, Kandel's eigene Psychoanalyse sei wenig erfolgreich verlaufen. Das restliche Mittagessen verlief schweigsam.

Wie ein Künstler musste er Hindernisse und Selbstzweifel überwinden, um den Weg zu gehen, der auf der Bühne in Stockholm, bei der Nobelpreisvergabe, im Nachhinein so gradlinig erscheint.

Dass ich aus dieser Sache mit Kandel und dem Hirn nicht mehr heraus kam, war klar.

Eric Kandel und Petra SeegerZwei Jahre sind vergangen seitdem. Unzählige Anträge bei Filmförderungen und Absagen, Verhandlungen und Zusagen von TV Sendern füllen mehrere Ordner. Anderthalb Jahre normaler Finanzierungswahnsinn eines Films, ein Zeitraum in dem ich gleichzeitig die Dreharbeiten anfangs ohne Geld beginnen musste, liegen hinter mir. Ein halbes Molekluarbiologiestudium in Englisch, zahlreiche Reisen, eine wirkliche Teamarbeit mit Eric Kandel, ein paar graue Haare mehr aber in jedem Fall viele neue Synapsen und neue Verknüpfungen in meinem Gehirn und hoffentlich ist dabei ein Film entstanden, der die Faszination die ich vom ersten Moment an sowohl für die Person Eric Kandel als auch für seine Arbeit empfand, weiterträgt.

 

P.S.
Was meine Küchentafel betrifft: Inzwischen schreibe ich manchmal Dinge darauf die sich materialisieren sollen, aber das ist eine andere Geschichte.....